Pécser Manifeste

April 2014

Laszlo Ottos Text

Manifeste im Kreise der Konkret-konstruktiven Kunst

 

Widmung

Ich widme meinen Text, mein Manifest, dem Freiburger Professor Dietmar Guderian, dem ich es zu verdanken habe, dass ich anfing, mich eingehend mit der zeitgemäßen Neudefinierung der konkreten Kunst zu befassen. Denn im Sommer 2013 gründete er das Ebringer Symposium, damit die ursprünglichen Werte und Anschauungen der Konkreten Kunst weiter bestehen bleiben, und die heutzutage spürbar weniger bewusste künstlerische Attitüde die anfänglich formulierten Ideale nicht überschreibt. 

 

0. Einleitung

In Theo van Doesburgs 1930 in Paris proklamiertem Manifest ››Die Grundlage der Konkreten Malerei‹‹ formuliert er eminente universelle Gedanken. Die Lebensfähigkeit seiner internationalen, insbesondere europäischen Dimension beweist dessen Gültigkeit.

Zugleich kann man in der heutigen Kunst des Öfteren eine geistige Attitüde beobachten, die zu unzähligen Devalvierungen führen kann, welche auch an der Konkreten Kunst nicht spurlos vorübergehen. Gerade deswegen können detaillierten Definitionen, die die Grundgedanken mit neuen Themen, Ideen und neuer Substanz ergänzen, sowie die Ausführung sonstiger weiterstrukturierender Gedanken den Weg bereiten für das Fortbestehen dieser geometrischen Kunstrichtung.

Ich versuche mich mit der Einführung von zwei Manifesten:

1. Das Manifest der Konkret-(de)konstruktiven Kunst

2. Das Manifest der Absolut-Konkreten Kunst

Die Kundmachung der Manifeste in Pécs (Ungarn) hat einfache Gründe: die inPécs verwurzelten Künstler möchten so ihrer Heimatstadt eine Ehrerbietung zum Ausdruck bringen. In dieser Stadt hat die geometrische Kunst eine große Tradition, und die meisten sich mit der Geometrie befassenden international bekannten ungarischen Künstler stammen von hier: Victor Vasarely, die Bauhäusler (Marcel Breuer, Alfred Forbat, Farkas Molnar, Andor Weininger); hier schuf und lehrte auch der Maler Ferenc Lantos, unser herausragender zeitgenössischer Meister.  

Die Fortsetzung der Manifeste, die Bekanntmachung des 3. Ebringer Symposiums,  die Einbindung in die Internationale Bewegung der Konkreten Kunst ist im Sommer 2014 zu erwarten.

 

1. Das Manifest der Konkret-(de)konstruktiven Kunst

 1.1. Dem 1930 formulierten Manifest ››Die Grundlage der Konkreten Malerei‹‹ wird weiterhin zugestimmt, mit Rücksicht auf die Möglichkeiten des heutigen Menschen, der konstruieren und bauen möchte; und es sind ihm weitere Ergänzungen hinzuzufügen.

1.2. Das durch konzentrierte Geistigkeit konzipierte Werk kann zwei grundlegende Tendenzen in einer einst zu verwirklichenden Form veranschaulichen:

1.2.1. Die konstruktive, bauend-schaffende, System- und Ordnung aufbauende künstlerische Methode. Diemit ›klassischer Konstruktion konstruierende‹.

1.2.2. Die dekonstruktive, abbauende-rückschaffende, Systeme umdeutende, strenge Ordnung auflösende, das Ordnungswidrige als koordinierende Kraft umsetzende Methode. Die mit der ›Dekonstruktion konstruierende‹.

1.3. In der heutigen Konkreten Kunst kann der de-konstruierende Künstler beobachtet werden, und die wachsende Bedeutung der Anwesenheit des 

Betrachters, der das Spiel der Dekonstruktion schätzt; sozusagen als Spiegelung des immanenten Charakteristikums der Gegenwart. 

1.4. Es muss der Unterschied bewusst gemacht werden zwischen der geistigen Einstellung, welcheentweder mit der ›klassischen Konstruktion‹ konstruiert, oder mit der ›Dekonstruktion‹; bzw. deren kombinierter Anwendung.

1.4.1. Das eine steht mit der Ordnung, dem Geordnetsein in Beziehung, das andere mit der Unordnung, der Ordnungswidrigkeit.

1.4.2. Das Ordnungswidrige beinhaltet in gewisser Hinsicht Ordnung, aber organisch in recht reduzierter Form. Das Ordnungswidrige lebt von der Ordnung, aus seiner Relation zur Ordnung gewinnt es seine ansprechende Kraft. Im Vergleich zur Ordnung ist die Ordnungswidrigkeit ein zweitrangiges Phänomen.

1.4.3. Beim dekonstruierten Werk muss man das künstlerische Verfahren der ›destruktiven Konstruktion‹ in Maßen anwenden, da man mit den Grundthesen der konkreten Kunst in Widerspruch geraten kann: Das wirre Erscheinungsbild kommt daher, dass das untersuchte Bildelement, die Komposition seine Identität nicht ganz aus ››sich selbst‹‹, sondern aus dem ››Anderen‹‹ gewinnt. So wirkt das Werk auf den aufmerksamen Betrachter nicht gänzlich als erhebendes Moment.

1.5. Weitere, erhellende Ausführungen werden in den zukünftigen Kommentaren zu finden sein.

 

 

2. Das Manifest der Absolut-Konkreten Kunst

2.1. Dem 1930 formulierten Manifest ››Die Grundlage der Konkreten Malerei‹‹ wird weiterhin zugestimmt; und um dessen Zeitlosigkeit zu bezeugen; es sind ihm noch weitere Ergänzungen hinzuzufügen.

2.2. Die wahre Universalität der Kunst kann am ehesten über Strukturen erreicht werden, die mit dem Gesetz das Seins im Einklang sind: das Zentrale, das Axiale, die qualitative und die hierarchische Sichtweise sind hier wegweisend. Dieses Gesetz hält die Einheit des Seins aufrecht: die Harmonie, die Schönheit, die Ordnung sind dessen Ausdruck. Deren Grundlage ist die kosmische Geometrie. Der künstlerische Ausdruck von dessen Idee kann Rückhalt bieten auf dem geistigen Weg. Die Konstruktion der kosmischen Art setzt eine Ordnung voraus, die mehr ist, als das Geordnetsein der Systeme: sie ist wahrhaftig eine universelle Einheit. 

2.3. Die Absolut-Konkrete Kunst kann zwei grundlegende Tendenzen veranschaulichen, in einer künftig zu verwirklichenden Form:

2.3.1. Das Werk des Künstlers kann in Teilen oder zur Gänze sozusagen ›von selbst‹ analogisch sein oder symbolisch,  insofern es nicht ein Hinweis ist auf die Welt der Natur. Die Absolut-Konkrete Kunst kann für den Betrachter metaphysisch, orientierend und bedeutungsvoll sein, ohne dass das Kunstwerk direkte oder konventionelle symbolische Hinweise macht. Das im Zeichen dieser Kunst entstandene Kunstwerk ist ein ›Seins-Konkretum‹, es ist hierfür in gesteigertem Maße das Prinzip gültig, demgemäß ››das Werk es selbst ist‹‹.

2.3.1.1. Das geschaffene Werk darf auch komplex sein, wenn dadurch die Vielschichtigkeit des Seins entfaltet werden kann. Die Komplexität ist die Sichtbarmachung der Intuition – die gleichzeitige Klarheit des Verstehens und des Gefühls.

2.3.1.2. Die Genauigkeit, Perfektion und Reinheit der künstlerischen Technik sind wichtige Bezugpunkte in der Schaffensmethode. Eher menschlich, handwerklich soll das Geschaffene sein, als dass es allzu sehr mit den gegenwärtigen technologischen Möglichkeiten erstellt werde. 

2.3.2. Im Rahmen der anderen Möglichkeit kann ein konkretes Werk auch dann absolut sein, wenn der Künstler seiner direkten und reinen schöpferischen Fähigkeit schafft, wenn die das Sein bestimmenden Urprinzipien sich durchsetzen in dem Werk – was in der Form nicht von Bedeutung ist, aber deren Reinheit dennoch Bedeutung hat. Bei dieser Kunstgattung kann die adäquate, anspruchsvolle Verwendung der gegenwärtigen technischen (High-tech) Möglichkeiten in Betracht gezogen werden: Die geistige Tendenz ist weniger transzendent-metaphysisch, sondern eher die im Rahmen des Lebens gedeutete Vollkommenheit, die Erschaffung der intellektuellen Ästhetikist hierbei das erhabene Moment. 

2.4. Die Paradoxien dieses Manifestes können mit weiteren Ausführungen aufgelöst werden, und die künftigen Kommentare werden dies weiter erhellen.

 

Hiermit hat die Kundmachung der Pécser Manifeste stattgefunden. In Zukunft können wir mit vielschichtigen Kommentaren über die gegebenen Leitlinien reflektieren; wir können Ausstellungen organisieren, bzw. im Rahmen von Symposien und Diskursen die obengenannten Grundgedanken theoretisch weiter reifen lassen.

 

Laszlo Otto, Maler 

 

Den Text schrieb ich am 29. Januar 2014 in meinem Budapester Atelier.

Die Manifeste werden im Lenau-Haus in Pécs am 7. April 2014 proklamiert.